MEHR – Klassenkampf, Frieden, Sozialismus – der erste Mai in Waiblingen
MEHR – Klassenkampf, Frieden, Sozialismus – der erste Mai in Waiblingen

MEHR – Klassenkampf, Frieden, Sozialismus – der erste Mai in Waiblingen

Deutliche Spitze in der Beteiligung an der durchweg kämpferischen 1. Mai Demonstration in Waiblingen!

Um kurz nach zehn Uhr setzte sich am Tor des Waiblinger Motorsägenherstellers STIHL der diesjährige Demonstrationszug des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bewegung. Im Gegensatz zu der ergrauten Tristesse vieler anderer Orte war er geprägt von zahlreichen roten und Gewerkschaftsfahnen. Seine Teilnehmer:innen waren vergleichsweise jung. Die aktiven, im Berufsleben stehenden Gewerkschafter:innen aus den regionalen Betrieben waren zahlreich. Kurz gesagt: es war so wie man sich eine Demonstration, die die Zukunft und die Kampfbereitschaft der Arbeiter:innenklasse zeigen soll, wünscht.

Wir wollten natürlich nicht an unseren Kampftag schweigend durch verschlafene Straßen schlurfen. Deshalb waren immer wieder Parolen zu hören, so dass für die Uhrzeit nicht wenige Anwohner:innen aus dem Fenster schauten. “Was macht Kapitalisten Dampf! Klassenkampf!”, “Brecht die Macht der Banken und Konzerne!”, “Leiharbeit verbieten!” oder “Löhne rauf – Profite runter!”.

An der Spitze der Demonstration ergänzten wir das diesjährige 1.Mai-Motto des DGB durch ein Hochtransparent: “MEHR – Klassenkampf, Frieden, Sozialismus!”. Die IG Metall Jugend Waiblingen-Ludwigsburg trug ein Seitentransparent mit der Forderung: “MEHR – Solidarität, Streik, Frieden! KEIN Rassismus, Sozialabbau, Aufrüsten!” Der Demozug wurde durchweg – wie die letzten Jahre auch – durch einheitliche Schilder der antikapitalistischen Beteiligungen in Stuttgart und Waiblingen geprägt. Die Positionen auf den Schildern waren unter anderem: “Ohne Streik wird sich nichts verändern!” oder “Regierungen wechseln – Ausbeutung bleibt!”. Bemerkenswert war dabei, dass diese Schilder überwiegend von “ganz normalen” Kolleg:innen getragen wurden; die die Schilder auch nicht einfach nur von uns in die Hand gedrückt bekamen, sondern sich bei uns oft bewusst abholten bzw. aussuchten.

Die erste Zwischenkundgebung fand beim Waiblinger Büro des Kapitalistenverbands “Südwestmetall” statt. Dort wurde mit einer symbolischen Aktion die rhetorische Frage gestellt: “Wer braucht denn schon Kapitalisten?” Wir nicht! Aber solange es sie noch gibt, sollen sie sich wenigstens an die Tarifverträge der Gewerkschaft halten. Damit sie das wieder mehr tun, muss unsere Klasse wieder mehr streiken.

     

Die zweite Zwischenkundgebung gab es auf Höhe des Waiblinger Amtsgerichts. Der Redner der IG-Metall Jugend kritisierte an diesem Ort das sehr eingegrenzte deutsche Streikrecht, welches zukünftig noch weiter eingeschränkt werden könnte. Zumindest wenn es nach dem Willen der BILD und der AfD ginge. Bemerkenswert ist hierbei, dass die, von dem in der BRD wiederverwendeten früheren NS-Juristen Hans Nipperdey verfasste, stockreaktionäre Auslegung des Artikels 9 Grundgesetz (woraus sich das Streikrecht ableitet), noch einmal rechts von der AfD und seiner gefühlten Boulevard-Zeitung überholt wird.

Auf der Bahnhofsstraße wurde in einer Aktion die Übernahme reaktionärer AfD-Positionen durch das bürgerliche Parteienspektrum kritisiert. Symbolisch wurde dabei von der Demonstration eine aufgespannte Papierwand durchbrochen. Dargestellt waren führende Köpfe der Ampelregierung die, wie Olaf Scholz mit seiner Aussage „wir müssen endlich konsequent abschieben!“, auf der rechten Welle aus AfD, Zentrum, der „Identitären Bewegung“ und dem „Dritten Weg“ reiten – zusammengefasst in der Parole „die AfD fordert – die Ampel setzt um“. Wir wollten damit zeigen, dass man Nazis nicht dadurch bekämpft, dass man nach und nach ihre Positionen übernimmt; während man zugleich behauptet “gegen rechts” zu sein. Wir fragen: “Was macht Faschisten Dampf? Klassenkampf!” Oder anders formuliert, wir dürfen den Nazis nicht die “soziale Frage” überlassen. Das heißt, wirksamer Antifaschismus ist auch, die Arbeiter:innenklasse zum gemeinsamen Kampf gegen den erstarken Faschismus und das Unternehmertum zu organisieren.

    

Eine von den lokalen Jugendgremien der IG-Metall und ver.di organisierte Aktion wurde kurz danach in der belebten Fronackerstraße durchgeführt. Inhalt der Aktion war eine klare Absage an die Bestrebung der Regierung nicht nur massiven Sozialabbau zu betreiben, sondern zusätzlich dazu in ihren Haushaltsplänen in allen sozialen Bereichen rigoros den Rotstift anzusetzen, um alleine 2024 weit über 71 Milliarden Euro in den Rüstungshaushalt pumpen zu können. Dargestellt wurden die im Haushaltsplan vorgesehenen Volumen durch unterschiedlich große Ballons, das Rüstungsbudget wurde mit einer Mistgabel zum platzen gebracht und mit Konfettikanonen die Aufbruchstimmung der Jugend, sich den Aufrüstungsbestrebungen entgegenzustellen untermalt.

Passend dazu entrollte sich wenige Meter später an einem Baugerüst eine großes Transparent mit der Feststellung: “Sozialismus oder Barbarei? Revolutionen beenden Kriege!”

Auf dem Marktplatz angelangt, war die antikapitalistische Demonstration auf mehr als 300 Teilnehmer:innen angewachsen.
Die Abschlusskundgebung wurde von einem anti-kapitalistischen Redebeitrag der ver.di-Jugend eröffnet. Danach folgte der lange Zeit der SPD nahestehende, renommierten Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler. Auch wenn wir mit Kritik nicht zurückhalten, haben wir kein Problem mit ehrlichen Sozialdemokrat:innen, es scheint viel mehr so als hätten sie ein Problem mit uns – weil wir ehrlich sind. Die letzte Rednerin war die dem Kommunismus nicht unverdächtige stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende von ver.di.

Die Inhalte der Redebeiträge haben wir im Anhang zu diesem Bericht dokumentiert.

Wie ist unsere Beteiligung am 1.Mai in Waiblingen zu bewerten?

Jetzt werden einige vielleicht denken, das ist ja alles gut und schön, aber wo bleibt denn der eigenständige antikapitalistische Ausdruck oder Bereich? Kurz gesagt, die gesamte Gewerkschafts-demo in Waiblingen, von vorne bis hinten, ist inzwischen von antikapitalistisch! Wir sind nicht mehr ein geduldeter, abgegrenzter Bereich der Demo mit dem der Rest fremdelt. Wir sind die Demo! Und die Arbeiter:innenklasse läuft mit und bei uns.
Damit verleihen wir der 1.Mai-Demonstration der “Einheitsfrontorganisation Gewerkschaft” den Charakter, den sie haben sollte. Klassenkämpferisch und antikapitalistisch!
Wenn junge Kommunist:innen und die Arbeiter:innenklasse eine Einheit bilden, beginnt es für die herrschende Klasse gefährlich zu werden. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass Demonstrationen auf denen das gelingt ein Vorbild sein können; an dem sich andere womöglich orientieren?! Das merkt inzwischen auch die Polizei und ihr Staatsschutz. Noch nie waren sie so zahlreich im Umfeld der Demonstration präsent.

Gewerkschaften sind Einheitsfrontorganisationen. Ihre Aufgabe ist es, die notwendigen Kämpfe für die sozialen und politischen Forderungen der Arbeiter:innenklasse zu führen.
Die Ausgangspunkt der Gewerkschaftsarbeit sind die Betriebe. Wenn wir dort stark sind, drehen wir die Gewerkschaften auf links. Erst müssen wir die Basis in den Betrieben aufbauen, dann die Gremienarbeit. Nicht umgekehrt. Was natürlich nicht heißt, dass wir nicht bereits heute aktiver und nach politischer Führung strebender Teil bspw. der Gewerkschaftsjugenden oder anderer ehrenamtlicher Gremien sein sollten.

Aber alles mit Augenmaß, niemals als Selbstzweck und immer mit dem politischen Ziel unsere Gewerkschaften wieder zu klassenkämpferischen, antikapitalistischen Einheitsgewerkschaften zu machen. Wir sind der Überzeugung, “Die Gewerkschaft” sind zu aller erst die Arbeiter:innen, die in ihr organisiert sind. Sie gilt es zu organisieren, gemeinsame Kämpfe zu führen und nur so können wir in unserer Klasse die Entwicklung des politische Bewusstsein fördern und letztendlich einen Bruch mit dem kapitalistischen System anstreben.

Der Charakter und die Stärke der 1.Mai-Demonstration entscheidet sich in den 364 Tagen davor! Eigentlich ist das eine Binsenweisheit; die leider oft vergessen wird. Oder anders formuliert, um die Führung der Arbeiterklasse zu gewinnen, muss man sich mit ihr verbinden; im besten Fall Teil von ihr sein bzw. werden. Gerade die gewerkschaftlichen Demonstrationen am 1. Mai und die Arbeit im Vorfeld sind für uns ein Gradmesser an dem sich ablesen lässt ob wir Fortschritte in der Arbeit mit unserer Klasse machen.

Leisten wir diese Arbeit eben nicht an den anderen 364 Tagen im Jahr, sondern lediglich in den „heißen Phasen“ kurz vor dem 1. Mai so müssen wir nicht überrascht sein, wenn das politische Bewusstsein unserer Klasse keine Sprünge genommen hat, wenn unsere Seite im Kampf um die richtigen Positionen in den Gewerkschaften nicht stärker geworden ist und wenn handlungsrelevante Belegschaften sich nicht offensiv hinter antikapitalistische Postionen stellen – und das alles führt nicht zuletzt dazu, dass unsere Gegner mit uns leichtes Spiel haben. Wenn wir in unseren linken Zentren – so wichtig sie auch sind – warten, bis die Arbeiter:innenklasse klingelt, werden wir gemeinsam alt und der Kapitalismus ist immer noch da! Abgrenzung durch oder in die eigene Szene ist sinnlos, wenn nicht sogar schädlich und droht uns in die politische Bedeutungslosigkeit zu führen.

Mit dem Ansatz unserer kontinuierlichen Arbeit in einer „Kleinstadt“ wie Waiblingen, versuchen wir einen bescheidenen Teil dazu beizutragen Erfahrungswerte zu sammeln, wie wir auch in solchen Kämpfen vorankommen können. Deshalb leisten wir politische Arbeit in der städtischen Peripherie, aber auch weil wir dort leben und arbeiten. Und genau dort der politische Kampf zu führen ist. Weil die Kraft, den Kapitalismus abschaffen und eine neue, bessere Welt aufbauen kann – das moderne Proletariat – inzwischen immer weniger in den Innenstadt-Kiezen lebt, sondern in den industriell geprägten Randbezirken der großen Städte.

Wir wollen dort sein, wo unsere Klasse ist. Ganz einfach. Ganz proletarisch. Ganz kommunistisch!

Im Anhang zu diesem Bericht findest Du die beiden den Zwischenkundgebungen gehaltene Redebeiträge, die antikapitalistische Rede der ver.di-Jugend auf der Abschlusskundgebung. Und den Link zur Homepage unseres Hauptredners, dem kritischen und scharfsinnigen Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler. Der uns neben vielen anderen auch die an die leider viele zu oft vergessene Tatsache erinnerte, dass auch in den Sälen der Arbeitsgerichte der Klassenkampf zu führen ist. Sogar gegen Staat und Kapitalisten zugleich!

Links:

Durchsagen entlang der Route
Antikapitalistische Rede
Rede einer Erzieherin

Website von Wolfgang Däubler