Offener Brief zur Gewerkschaftsdemonstration am 1. Mai 2024
Offener Brief zur Gewerkschaftsdemonstration am 1. Mai 2024

Offener Brief zur Gewerkschaftsdemonstration am 1. Mai 2024

Ja zu Solidarität und einer gemeinsamen 1. Mai Demonstration!
Antikapitalismus bleibt Teil des 1. Mai!
Nein zu Spaltung, Polizeigewalt und Einschränkung der Versammlungsfreiheit!

DGB-Spitze will Linke- und Antikapitalistische Beteiligung an 1. Mai Demo verunmöglichen

In einem Artikel mit dem DGB-Landesvorsitzenden Kai Burmeister am 29. April in der Stuttgarter  Zeitung äußert sich dieser zum 1.Mai mit der Aussage „Wir wollen nicht, dass andere unsere Kundgebung kapern und missbrauchen“. Gleichzeit wurde in diesem Jahr die bereits seit 10 Jahren bestehende Initiative von Kolleg:innen und linken Organisationen zum Antikapitalistischen  Block zu keinem Zeitpunkt in die Vorbereitungen mit einbezogen und den Vertreter:innen in einem Gespräch kurz davor auch noch mitgeteilt, ein geplanter Lautsprecherwagen sei nicht erwünscht.

Diesen Versuch der Spaltung dürfen wir nicht hinnehmen. Die Teilnehmer:innen im Antikapitalistischen Block sind nicht irgendwelche „anderen“. Wir sind Linke, aktive Gewerkschafter:innen, Beschäftigte, Betriebsrät:innen und sind natürlich Teil der Gewerkschaftsbewegung. Wir bringen uns im Alltag und jeder Tarifrunde ein, streiken und kämpfen gemeinsam mit euch und vielen Kolleg:innen für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen – im Betrieb und auf der Straße. Wir sind aber auch kritische Kolleg:innen, die es nicht richtig finden, wenn im zentralen DGB-Aufruf zum 1. Mai kein Wort zu Krieg und dem Sozialabbau der Regierung steht.

Wir machen uns Sorgen, weil Kriege immer weiter angeheizt werden und wir die größte Aufrüstung seit Ende des Faschismus erleben. Weil von „Kriegswirtschaft“ und einer „EU-Atombombe“ geredet wird. Weil dies einhergeht mit Sozialabbau und Kürzungspolitik – was  wiederum ein Nährboden für das Erstarken der Rechten ist. Weil bei den Beschäftigten gespart wird, um die Kriegskasse zu füllen. Weil immer offener  über Einschränkungen vom Streikrecht gesprochen wird.

Linke und antikapitalistische Positionen sind Teil der Einheitsgewerkschaft

„Der Kampf der Gewerkschaften geht um die Beseitigung aller Klassenunterschiede.“
Otto Brenner / 20 Jahre Vorsitzender der IG Metall

Die Einheitsgewerkschaft ist eine Lehre aus der Zerschlagung der Gewerkschaften im  Faschismus. Sie bedeutet den gemeinsamen antifaschistischen Kampf gegen die rechte Gefahr, aber auch, dass verschiedene politische Überzeugungen ihren Platz in der Gewerkschaft haben müssen. Dazu zählen auch Gewerkschafter:innen, die der Überzeugung sind, dass es mehr braucht als einzelne Reformen. Dass der Kapitalismus keine Fehler hat, sondern der Fehler ist. Dass es ein anderes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem braucht, in dem nicht Profite für Wenige, sondern ein gutes Leben für Alle im Mittelpunkt steht. Ein System, das uns nicht in immer verheerendere Krisen, Kriege und einen unbewohnbaren Planeten manövriert, sondern auf Grundsätzen von Solidarität, Frieden und Völkerfreundschaft aufbaut.

Keine Krawalle, sondern Polizeiangriff!

In der Zeitung ist auch die Rede von „Krawalle“ beim 1. Mai 2023. Diese falsche Darstellung weisen wir zurück. Beim 1. Mai im vergangenen Jahr gab es keine „Krawalle“, sondern einen einseitigen brutalen Angriff der Polizei auf die Demonstration. Zwei bunte Rauchtöpfe und eine bemalte Papierwand nahm die Polizei zum Vorwand, den Antikapitalistischen Bereich mit Pfefferspray, Schlägen und Tritten anzugreifen. 29 Kolleg:innen und Teilnehmer:innen wurden bei dem Angriff verletzt.Viele haben sich vor Ort und im Nachhinein mit den Betroffenen solidarisch gezeigt und den Polizeiangriff mit klaren Worten verurteilt, von Gewerkschaftsgliederungen über Betriebsgruppen und mehreren Bündnissen. Denn eines ist klar: Etwas bunter Rauch oder ein kurzer Sprint durch eine Papierwand gehören zu einer lebendigen Streik- und Protestkultur und sind kein Grund, eine Demonstration anzugreifen, die Versammlungsfreiheit mit Füßen zu treten und Teilnehmer:innen zu verletzen.

Angriff auf Antikapitalistischen Bereich war kein „Ausrutscher“ der Polizei

Der Angriff der Polizei auf die Gewerkschaftsdemo war kein Einzelfall. Unter dem Vorwand, das z.B. Auflagen wie die Länge von Transparenten nicht eingehalten werden, kommt es unter Leitung von Polizeipräsident Markus Eisenbraun und Polizeioberrat Jens Rügner immer häufiger zu Polizeiangriffen – so geschehen bei der Bündnisdemonstration gegen die AfD 2022 in Bad-Cannstatt oder bei der Demonstration am Internationalen Frauenkampftag am 8. März. Was auffällt, vor allem Linke sind im Fokus staatlicher Repression und von Polizeiangriffen.

DGB-Spitze übernimmt Polizei-Narrativ

Statt den Polizeiangriff zu verurteilen, wurde von der DGB-Spitze schon damals das Narrativ der Polizei übernommen und folgte von Einzelnen eine Entsolidarisierung. Die Polizei forderte auf Twitter, sich von vermeintlichen „Unruhestiftern“ zu distanzieren und prompt folgte die DGB-Spitze diesem Aufruf der Polizei und übernahm exakt deren Wortlaut und falsche Tatsachenbehauptung. Diese Übernahme des Polizei-Narrativs lehnen wir ab. Es zielt darauf ab, uns zu spalten in gute und schlechte Gewerkschafter:innen, in gute und schlechte Demonstrant:innen.

Wir lassen uns nicht spalten – Antikapitalistisch heraus zum 1. Mai

Ein Angriff wie im letzten Jahr ist ein Angriff auf uns alle. Wir stehen solidarisch zusammen – Seite an
Seite. Den Versuch, antikapitalistische Inhalte aus der Demo herauszudrängen,
lehnen wir ab.  Der 1. Mai ist der Tag, an dem wir gemeinsam für unsere Rechte und eine sichere Zukunft kämpfen – hier in Stuttgart und überall auf der Welt.

Initiative zum antikapitalistischen Block auf den DGB-Demos in Waiblingen & Stuttgart

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